Das Katastrophen-Update der Fußball.de-App ist seit einigen Tagen das Gesprächsthema bei den Fußballinteressierten. Daniel Vollbrecht, U19 Trainer der JSG Weser/Solling, hat in einem Gastbeitrag seinen Gedanken freien Lauf gemacht und nimmt euch mit.

Grund zur Freude für alle Android-Nutzer: im ewigen Wettstreit der Smartphone-Betriebssysteme hat sich die Androidfraktion einen kurzfristigen Vorteil erspielt. Die neue Version der beliebten Fussball.de-App wird dort erst am 26.11. ausgerollt und ermöglicht den Besitzern zumindest noch für wenige Tage den Genuss des schnellen Zugriffs auf Ergebnisse, Tabellen, Aufstellungen und amüsanten Livetickern aus der Welt des Amateurfußballs. Ein weiteres Vergnügen gibt es kostenlos als Dreingabe, denn die Rezensionen erboster iOS-Nutzer, auf deren Geräten die neue 8.0-Version der App bereits zwangsinstalliert wurde, entbehren nicht einer gewissen Tragikkomik.

Was war passiert? In der vergangenen Woche hatte die „DFB GmbH“ unter dem zukunftsweisenden Titel „Next Fussball.DE“ eine komplett neu programmierte Version der in ganz Deutschland millionenfach genutzten App auf den Markt gebracht. Bis zum 19.11. konnte sich der Fußballfan binnen weniger Sekunden dort über alle Ligen des Kreises, Bezirks, bis hoch zur Bundesliga informieren. Das recht altmodische Design überzeugte in puncto Benutzbarkeit. Ein bis zwei Klicks und man hatte alle relevanten Informationen parat, konnte binnen Millisekunden zwischen den Spielen einer Liga wechseln und Sonntagnachmittags diverse Liveticker studieren. So einfach – so gut. Auch potentielle Zuschauer nutzten die App zur Planung ihrer  Sportplatzbesuche und glichen Termine ab.

Während es mit der deutschen Nationalmannschaft in jüngster Zeit sportlich wieder aufwärts ging und die Zielsetzung, einen internationalen Titel zu gewinnen, durchaus realistisch erscheinen mag, hat der DFB auf dem Digitalen Spielfeld bereits die unangefochtene Weltmeisterschaft errungen: er hat die global erste App entwickelt, die es auf einen Schlag schafft, alle geschätzten Vorteile der vorherigen Version in die Tonne zu kloppen und in ihr exaktes Gegenteil zu verkehren. Das muss man erstmal schaffen. Herzlichen Glückwunsch.

Beim Start der App weckt ein galantes „Welcome“-Titelbild noch Hoffnungen, doch „Willkommen“ fühlen sich leider nur jene Unternehmen, die scheinbar größere Ressourcen an Werbeeinblendungen erwerben durften. Neben der Kommerzialisierung, die mit der Zwangsregistrierung zur Anlegung von Favoriten und Vereinsabos auf die Spitze getrieben wurde, wartet auch der sogenannte „Home“-Bildschirm mit Überraschungen auf. Gleich drei Artikel zum Thema „Schlafen“ werden dem Leser angeboten und damit ein kompensatorischer Hinweis zur Regulierung des gestiegenen Stresslevels bei fortschreitender Nutzung der absolut unhandlichen App gegeben.

Weiter geht die fröhliche Reise. Nachdem der eigene Verein mühsam gefunden wurde, wird auf dessen Startseite drei Viertel des Bildschirms vom Wappen, einem blauen Hintergrund und der Information, der Verein habe „52 Abonnenten“ ausgefüllt. Am Bildschirmrand findet man noch den dezenten Hinweis, es seien für diesen Verein „keine Beiträge verfügbar“. Beiträge? Erstaunlicherweise handelt sich bei diesem Verein nicht um eine Neugründung, wie die fehlenden Beiträge suggerieren mögen, sondern um einen zumindest regional etablierten Club mit mehreren Senioren- und Juniorenteams. Um zu erfahren, wann diese denn demnächst aktiv sein werden, bringt der Klick auf „Spiele“ die nächste Enttäuschung. Es sind lediglich Uhrzeiten und keine konkrete Datumsangaben vermerkt, was zur Folge hat, dass sich demnächst viele Fußballfans spontan jeden Morgen um 11.00 Uhr auf dem Sportplatz ihrer Wahl begegnen, in der Hoffnung, es möge dort ein Fußballspiel angepfiffen werden. Wenn nicht heute, dann eben morgen. Und zur Not trinkt man halt ein Bier zusammen und frönt der Gemeinschaft. Und da sage noch einer, die Digitalisierung der Welt reduziere die sozialen Kontakte. Danke, next-fussball.de!

Immerhin sind alle Mannschaften des Vereins aufgelistet. Beim Klick auf die 1. Herrenmannschaft ploppt auch tatsächlich ein Vorbericht auf. Cool. Weniger cool, dass das Spiel, auf welches sich der KI-generierte Vorbericht bezieht, bereits vor zwei Monaten stattfand und der Text somit eine ähnliche Relevanz besitzt wie die Frage, was man denn soeben gegessen haben sollte, wenn man bereits pappsatt auf dem Sofa vor sich hin vegetiert. Aber über solche logischen Probleme schaut man beim weiteren Studium der App sehr schnell unfreiwillig hinweg, da sich über den gesamten Bildschirm in unregelmäßigen Abständen großflächige Fehlermeldungen legen: „Fehler 401“ und „Fehler 503“ sind unangefochtene Spitzenreiter der Bug-Tabelle und heiße Aufstiegsfavoriten. Je länger man jedoch tatenlos darüber sinniert, welcher Meldung man beim engen Rennen um die Meisterschaft die Daumen drücken sollte, bringt sich „Zeitüberschreitung bei der Anforderung“ ins Spiel und bestraft den User, wenn er die App länger untätig geöffnet lässt – was man aber auch aus anderen Gründen tunlichst unterlassen sollte, denn das Programm frisst enorm viel Datenvolumen. Seltsam, wo doch so wenige Daten vorhanden sind.

Aber es gibt auch Grund zur Freude: viel Geduld, Toleranz gegenüber langen Ladezeiten und zuverlässigen Fehlermeldungen zahlt sich aus. Denn stößt man irgendwann zur Tabelle seines Lieblingsvereins vor und holt sich beim Scrollen durch die unübersichtlich gestaltete Grafik eine Entzündung der Strecksehne im linken Daumen ab, werden großartige Neuigkeiten verkündet: Es gibt keine Absteiger! Zumindest sind keine mehr markiert. Aufsteiger zwar auch nicht, aber ist doch toll. Es bleibt alles so, wie es ist und war. Hätte dieses Motto doch nur auch für unsere geliebte Fussball de App gegolten…

Autor: Daniel Vollbrecht